„Schau mal, was für eine gemütliche Sitzecke“. „Oh, das Bad ist aber toll“. „Sehr praktisch, diese Küche“. Es ist schon erstaunlich: Das größte Interesse bringen Reisemobil-Einsteiger fast immer der Innenausstattung entgegen. Was das gesamte Innenleben zusammenhält, spielt oft eine eher untergeordnete Rolle. Dabei sind es gerade der Boden, die Wände und das Dach, was das gesamte Innenleben trägt, schützt, stabilisiert, isoliert und letztlich zusammenhält. Und dann hört man sie, diese verwunderten Sätze wie „Warum ist das Wohnmobil jetzt viel teurer als das von der Ausstattung her vergleichbare von nebenan?“. Solche Fragen stellen häufig Käufer, die eher emotional, eher mit dem Auge als mit einem kühlen Kopf kaufen. Aber oft sind es gerade die Dinge, die man nicht auf den ersten Blick sieht, die den entscheidenden Unterschied zwischen einem Qualitäts-Wohnmobil und einem Billig-Angebot ausmachen.
Boden
Beginnen wir mit dem, was Dach und Wände, die komplette Ausstattung, die Alltagstechnik und Eure gesamte persönliche Urlaubsausrüstung später zu tragen hat, dem Reisemobil-Boden. Jahrzehntelang wurde hier eine mehr oder weniger stabile Holzplatte auf das Chassis geschraubt. Nach unten hin „schützte“ ein dick aufgetragener Unterbodenschutz, von oben wurde meist PVC oder ein anderer Kunststoffboden aufgeklebt, fertig war der Untergrund für Schränke, Sitzmöbel, Betten, Küche und Nasszelle.
In den letzten Jahren ist diese Holzplatte immer mehr modernen Sandwich-Platten gewichen (auch als Composite-Platten bezeichnet). Diese bestehen heutzutage aus mehreren Schichten verschiedener Materialien wie glasfaserverstärkten Kunststoffen (GfK) und/oder Hartschäumen. Holz als Werkstoff ist weitgehend verschwunden und damit sollte auch der jahrelange Feind jedes Wohnmobil-Besitzers, die Feuchtigkeit durch eindringendes Wasser, besiegt sein.
Eine besonders interessante Erfindung, der sogenannte Doppelboden, stammt aus den frühen 90er Jahren. Hier wird mit Abstandhaltern oder Quer-/Längsleisten auf den Aufbauboden ein zweiter sogenannter Wohnraumboden montiert, wie in der Skizze dargestellt. Der dadurch entstehende Hohlraum, der je nach Hersteller in unterschiedlichen Höhen angeboten wird, übernimmt verschiedene Aufgaben. Zunächst lassen sich hier natürlich ausgezeichnet Aggregate und Leitungen unsichtbar unterbringen.
Daneben isoliert diese doppelte Bodenschicht natürlich hervorragend, insbesondere wenn zusätzlich Warmluft durch den Doppelboden geleitet wird. Es entsteht quasi eine Fußbodenheizung. Sind dort die Ver- und Entsorgungstanks und -leitungen untergebracht, lässt sich eine komfortable Wintertauglichkeit erreichen. Und natürlich ergibt sich darüber hinaus eine Menge an Stauraum, der je nach Hersteller in einzelne von innen und/oder außen zugängliche Fächer unterteilt wird. Bei Staufächern, die über die gesamte Fahrzeugbreite reichen, spricht man von einer sogenannten Durchlademöglichkeit, die besonders für lange und sperrige Utensilien (Angelruten, Surfbretter, Skier etc.) geeignet ist. Der ursprüngliche, klassische durchgängige Doppelboden hat in letzter Zeit etliche „Geschwister“ bekommen. Ob Teil-Doppelboden, Stufen-Doppelboden oder Funktions-Doppelboden, es gibt inzwischen viele interessante Spielarten.
Allen gemeinsam ist die teilweise sehr aufwändige Konstruktion, die sich natürlich im Reisemobil-Preis niederschlägt. Kein Wunder also, dass gute Doppelboden-Fahrzeuge eher in der oberen Preisklasse zu finden sind.
Wände
Beim Thema Reisemobil-Wände kommen wir gleich wieder auf die beschriebenen Sandwich-Platten zurück. Auch bei den Wänden sind die ehemals einem Fachwerk ähnelnden Holzkonstruktionen, die mit verschiedenen Isoliermaterialien gefüllt wurden, immer mehr verschwunden. Moderne Werkstoffe wie z.B. Hartschäume aus Polyurethan (PUR) in Verbindung mit GfK und/oder Aluminium bieten immense Vorteile, wie z.B. hohe Festigkeit und Stabilität, Verwindungssteifigkeit, Unempfindlichkeit gegen Nässe, gute Isoliereigenschaften und, was gerade beim Wohnmobilbau sehr wichtig ist, sie sind sehr leicht. Um das Gewicht noch weiter zu reduzieren, experimentieren die Hersteller derzeit mit ungewöhnlichsten Konstruktionen, wie z.B. mit Waben- oder Lochstrukturen. Wer schon einmal gesehen hat, wie man ganze LKWs auf geschickt gefaltetes Schreibpapier stellt, ohne dass diese Faltfiguren zusammenbrechen, der versteht, dass hier noch viel Luft nach oben ist.
Dach
Dem Reisemobil-Dach schenken viele Hersteller große Aufmerksamkeit. Warum? Schmutz, Regen, Schnee, Eis, Zubehörmontage (z.B. Antennen, Solar-Module etc.), all das stellt den oberen Abschluss eines Reisemobils vor besondere Herausforderungen. Wer schon einmal einen Hagelschaden bei einem Reisemobildach aus Blech gesehen hat, kann leicht nachvollziehen, warum gerade hier immer mehr auf den relativ hagelunempfindlichen Werkstoff GfK gesetzt wird. Zumal wenn man berücksichtigt, dass einige Versicherungen für Reisemobil-Besitzer mit GfK-Dach einen besonderen Rabatt bei den Prämien gewähren – ein echter Mehrwert für Interessenten eines mobilen Heims.
Verbindungen
Was nützen die schönsten „vier Wände“, wenn sie nicht ordentlich und fachgerecht zusammengefügt sind. Hier gibt es gerade im Niedrig-Preis-Segment Etliches, das Ihr genau unter die Lupe nehmen solltet. Die beste Isoliereigenschaft wird hinfällig, wenn z.B. an Kanten und Übergängen Kältebrücken durch schnelle und sorglose Montage in Kauf genommen werden. Kommen dann noch schlecht eingepasste Fenster, Türen und sonstige Öffnungen, unzureichende Dichtungen oder Klebungen und eine Hau-Ruck-Montage hinzu, ist so zwar am Ende ein günstiger Preis zu erzielen – viel Freude wird man auf lange Dauer an einem solchen Gefährt aber kaum haben. Ob Euer zukünftiges Reisemobil in jeder Kurve knarzt oder Ihr im Herbst ständig die Heizung in Betrieb nehmen müsst, entscheidet sich oft an genau diesen, für den uneingeweihten Betrachter praktisch unsichtbaren Punkten.
Innenraum
Was außen das hübsche Dekor, ist im Innenraum die wohnliche Gestaltung. Dielenboden, Wände in sanften Holztönen, eine Strukturdecke – Vorsicht, in der Regel ist das alles nur optische Effekthascherei ohne nennenswerten Mehrwert. Folien machen heutzutage fast jede Optik möglich, von der gediegenen Birkenwand über das Vintage-Stuck-Deckendekor bis hin zum mediterranen Terrakotta-Boden – oft alles nur dünner Plastiküberzug. Viel wichtiger sind da Eigenschaften, die echte Vorteile bringen. So machen z.B. textile Wand- und Deckenbeläge aus einem kühl dröhnenden Innenraum eine gemütliche und gedämpfte Atmosphäre, die auch noch gute Isoliereigenschaften hat. OK, wer in einem solchen Gefährt seiner Tabaklust nachgeht, wird Schwierigkeiten bekommen, wenn er das Fahrzeug einst gebraucht zum Verkauf anbieten möchte. Denkt daran, Textilien speichern Gerüche sehr nachhaltig.
Oder wie steht es z.B. mit dem Blitzschutz in Eurem neuen rollenden Heim? Während der Kastenwagen-Fahrer völlig entspannt in seinem rundum durch Blech geschützten faradayschen Käfig sitzt, wird man in einem reinen GfK-Aufbau eher ängstlich gen Himmel blicken, wenn bei einem drohenden Gewitter die ersten Blitze über den Himmel zucken. Gut ausgestattete Wohnmobile haben eine allseitige Aluminium-Haut, die vor bösen Überraschungen oder sogar kapitalen Schäden schützt – nicht zu sehen, aber kostet natürlich ein paar Euro mehr.
Lasst Euch beim Kauf eines Wohnmobils nicht nur von der tollen Optik verführen – die meisten Fahrzeuge sehen auf den ersten Blick schick und wohnlich aus. Fragt vor einem Kauf ruhig einmal nach den „inneren Werten“, also nach Aufbau-Materialien, Konstruktions- und Montagedetails. Bei unspezifischen oder ausweichenden Antworten („…das ist alles nach dem neuesten technischen Stand gebaut“) solltet Ihr skeptisch werden. Kauft nicht die berühmte „Katze im Sack“! Die reißt am Ende größere Löcher in Euer Budget als gleich ein etwas teureres, aber dafür solides Reisemobil anzuschaffen.
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